Mietrecht und Vermögensschutz: Die Null-Grenze der Haftung bei abgeschriebenen Gegenständen
Im Schweizer Mietrecht schuldet der Mieter bei Schäden durch übermässige Abnutzung lediglich den Zeitwert des beschädigten Gegenstands, wie er in der Lebensdauertabelle festgelegt ist. Ist die Lebensdauer eines Gegenstands jedoch bereits vollständig abgelaufen (Zeitwert 0 %), entfällt die Haftung des Mieters gänzlich, selbst wenn er den Schaden verursacht hat.
11/3/20252 min read
Warum der Vermieter die Kulanz seiner Versicherung nicht einkassieren darf
Ein kürzlich ergangenes Urteil des Mietgerichts Zürich (ZMP 2021 Nr. 7) ist ein juristisches Musterbeispiel dafür, wie das Prinzip des Zeitwerts und die Haftungsregelungen des Obligationenrechts (OR) sogar Versicherungsleistungen aushebeln können. Es ist ein wichtiger Entscheid für jeden Immobilienbesitzer und jeden Mieter in der Schweiz.
Der Fall: Schaden, Haftpflicht und das Stellvertretende Commodum
Im Kern des Verfahrens stand die Frage, wie die Schadenersatzansprüche eines Vermieters (gestützt auf Art. 267 OR und Art. 97 OR) mit der Leistung aus der Privathaftpflichtversicherung des Mieters zusammenhängen.
Der Mieter hatte Schäden verursacht, unter anderem am Kochfeld und am Parkett. Die Haftpflichtversicherung des Mieters zahlte ihm hierfür einen gewissen Betrag aus. Der Vermieter verlangte die gesamte Summe.
1. Die mietrechtliche Grundlage (Art. 267 OR): Der Mieter haftet ausschliesslich für Schäden, die über die normale Abnutzung hinausgehen (übermässige Abnutzung). Für alle Schäden ist er aber nur zum Ersatz des Zeitwerts verpflichtet. Dieser wird anhand der paritätischen Lebensdauertabelle bestimmt.
2. Die Forderung des Vermieters (Stellvertretendes Commodum): Der Vermieter berief sich auf das juristische Prinzip des Stellvertretenden Commodums (Art. 119 OR analog). Dies bedeutet: Hat ein Schuldner für den Verlust oder Schaden an der Sache eine Ersatzleistung (wie eine Versicherungssumme) erhalten, kann der Gläubiger (der Vermieter) diese Ersatzleistung verlangen.
Die juristische Zäsur: Kulanzleistungen sind ausgeschlossen
Das Gericht stellte jedoch fest: Die Herausgabe des Commodums darf nicht zu einer Bereicherung des Geschädigten (Vermieters) führen. Die Versicherungsleistung muss im Wortsinn "stellvertretend" sein.
Die Folge dieser Logik ist entscheidend:
Leitsatz des Urteils (ZMP 2021 Nr. 7): Der Vermieter kann das Stellvertretende Commodum (die Versicherungszahlung) nur im Umfang der vertraglichen Verantwortlichkeit des Mieters beanspruchen, also insbesondere nicht bei Kulanzleistungen der Versicherung.
Das Beispiel Kochfeld: Die Null-Grenze der Abschreibung
Das Gericht wandte diesen Grundsatz konkret auf das beschädigte Kochfeld an:
Berechnung des Zeitwerts: Das Kochfeld war 8,5 Jahre alt. Bei einer Lebensdauer von 15 Jahren schuldete der Mieter dem Vermieter nur noch den Restwert von Fr. 167.90.
Versicherungsleistung: Die Haftpflichtversicherung zahlte dem Mieter jedoch Fr. 387.50 aus.
Gerichtsentscheid: Die Differenz von Fr. 219.60 wurde vom Gericht als Kulanzleistung der Versicherung qualifiziert. Der Vermieter hatte keinen Anspruch auf diesen Mehrbetrag, weil dieser die gesetzlich limitierte Haftung des Mieters überstieg.
Konsequenz für abgeschriebene Gegenstände: Wäre das Kochfeld 15 Jahre oder älter gewesen, wäre es vollständig abgeschrieben (Zeitwert 0 %). In diesem Fall hätte der Vermieter keinen einzigen Franken verlangen können, selbst wenn die Mieter-Haftpflichtversicherung aus Kulanz oder ohne genaue Prüfung einen Betrag an den Mieter gezahlt hätte. Die Grenze der Haftung bleibt der gesetzliche Zeitwert.
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